Walter ließ seine
Faust auf den Küchentisch fallen und lachte
hämisch auf: „Hör mal eben zu, Lilly, was hier in der Zeitung steht.“
Lilly war nicht sehr
begeistert und verdrehte heimlich die Augen im Kopf. Seitdem Walter Rentner
war, hatte er die Marotte, ihr ständig etwas aus der Zeitung vorzulesen. Dabei
hatte sie längst selbst gelesen, was sie interessierte. Doch ihr Mann ließ sich
nicht davon abbringen und las ihr das Folgende vor:
“Zur Feier seines 30.
Geburtstages hatte ein Brite eine Grillparty auf einer Wiese organisiert und
das per Facebook angekündigt. Die Polizei befürchtete offenbar eine nicht
genehmigte Massenver-anstaltung und rückte mit gepanzerter Mannschaft und
Hubschraubern an – während 15 Menschen Burger grillten“.
Walter schüttelte
darüber den Kopf und frotzelte: „Wenn es die Beamten nicht gäbe – man müsste
sie glatt erfinden!“
„Da hat der Amtsschimmel wirklich laut gewiehert“,
warf Lilly ein.
„Das kannste wohl
sagen“, bestätigte Walter den Kommentar seiner Frau „und weißt du was, der
Steuerzahler muss sich gar nicht mit Pferden auskennen, um diesen Schimmel
wiehern zu hören.“
Lilly grübelte über den Zeitungsbericht nach.
„Überleg mal, was dass bedeutet“, forderte sie ihren Ehemann auf „dann müssen
doch mehrere Beamte dafür zuständig sein, das Internet zu durchforsten, denn
das war doch bestimmt ein Polizeibeamter, der das auf Facebook gelesen und dann
diesen Großalarm ausgelöst hat.“
„Ja, mein Reden“,
erwiderte Walter „wir werden stets und ständig überwacht. Und dieses Facebook
ist sowieso großer Mist. Da erzählt der eine, wann er das letzte Mal auf dem
Klo war und der andere, wie groß der Busen seiner Freundin ist.“
„Walter, nun hör aber
auf. So schlimm wird es doch wohl nicht sein“, herrschte Lilly ihren Mann an.
„Nicht so schlimm?
Dann guck dir das einmal an. Es gibt nichts Persönliches, dass die jungen Leute
dort nicht veröffentlichen. Das finde ich nicht in Ordnung“, äußerte Walter
große Bedenken gegen dieses Forum.
„Du magst ja Recht
haben, aber so ist es nun mal. Darin müssen wir uns schicken. Unsere Enkel sind
dort bestimmt auch angemeldet. Wenn man sich heute dazugehörig fühlen will,
dann kommt man gar nicht daran vorbei“, gab Lilly zu bedenken. „Mag sein“,
brummelte Walter „doch großer Quatsch ist es trotzdem, was dort verbreitet
wird.“
Walter wusste oft
nichts mit sich und seiner neu gewonnenen freien Zeit anzufangen. Er musste
sich und sein Rentnerleben zuerst einmal neu organisieren. Das war auch für
Lilly nicht ganz einfach. Ständig nahm er ihr Dinge aus der Hand, um sie zu
erledigen. Er meinte es ja gut, doch Lilly ging dies manchmal auf die Nerven.
Oft dachte sie sich
deshalb irgendwelche Aktivitäten aus. Häufig machten sie eine Radtour. Das
hatte außerdem den Nebeneffekt, dass sie nicht einrosteten. Doch heute regnete
es und so kam eine Radtour nicht in Frage. Lilly überlegte, was man tun könne,
damit keine Langeweile aufkäme.
„Walter, was meinst
du, wollen wir heute Nachmittag in die Sauna gehen und anschließend ein paar
Runden schwimmen?“, fragte sie ihren Mann.
„Schwimmen ja, aber schwitzen will ich heute nicht“, ließ er
seine Frau wissen.
„Auch gut. Dann gehen
wir nur zum Schwimmen. Wollen wir Hans und Adele fragen, ob sie mitkommen?“,
fragte Lilly.
Hans und Adele waren
ihre Nachbarn, mit denen sie seit vielen Jahren eine Freundschaft verband.
Oftmals unternahmen die Vier etwas gemeinsam. „Dann geh ich mal eben rüber und
frag“, schlug Walter vor. „Aber verquatsch dich nicht wieder mit Hans“, gab
Lilly ihrem Mann mit auf den Weg. „Wir wollen gleich zu Mittag essen.“
Schon hörte sie die
Tür ins Schloss fallen.
Nachdem Walter die
Klingel betätigt hatte, öffnete Hans die Tür. „Walter, komm rein. Du, das passt
gut, dass du kommst. Ich wollte nämlich etwas mit dir besprechen, was Adele gar
nicht hören soll. Und die ist gerade nicht da.“ Eine kurze Zeit später saßen
die Beiden mit einer Flasche Pils am Küchentisch.
„Weißt du“, erzählte
Hans „wir feiern doch bald unseren 40. Hochzeitstag und da wollte ich Adele
überraschen. Ich weiß nur noch nicht so richtig, womit. Hast du vielleicht eine
Idee?“
„Da fragst du genau
den Richtigen“, entgegnete Walter amüsiert. „Meistens gefällt meiner Lilly
nämlich nicht, was ich mir für sie einfallen lasse. Zum letzten Weihnachtsfest
hatte ich ihr eine Kette geschenkt und was macht sie?“ Walter ließ die Frage im
Raum stehen und Hans antwortete „Kenn ich. Sie hat sie umgetauscht!“
Walter machte eine
ausladende Handbewegung und bestätigte damit die Vermutung von Hans.
„Ne, an so was hatte
ich auch gar nicht gedacht“, meinte Hans dann. „Eher an so etwas, wie ein
Wellnesswochenende oder so.“
„Ach, dass schenkt
doch heutzutage jeder, dass ist doch gar nichts Besonderes mehr“, meinte Walter
zu wissen und forderte seinen Nachbarn auf, doch einmal ganz genau zu
überlegen, was sich seine Frau schon lange wünschen würde.
Zwei Flaschen Bier
später kam der Geistesblitz. „Sie möchte sich eine Operette ansehen“, rief
Hans. Sie hat letztens vor einem Plakat gestanden, auf dem zu lesen war, dass
die Operette ‚Im weißen Rössl am Wolfgangsee’ im Engelssaal aufgeführt wird.
Ich glaube, dass wäre genau ihr Geschmack.“
Hans war ganz aus dem Häuschen über seinen Einfall. In
Nullkommanichts holte er seinen Laptop hervor und kurz darauf nannte er zwei
Eintrittskarten sein Eigen.
Einige Wochen später beim Frühstück fragte Lilly ihren
Walter: “Heute haben Hans und Adele Hochzeitstag. Was meinst du, wollen wir
nachher einen Blumenstrauß besorgen und dann zu ihnen gehen und gratulieren?“
„Auf jeden Fall“, bestätigte Walter „das machen wir.“
Als sie anschließend bei den Nachbarn im Wohnzimmer saßen und
ein Glas Sekt tranken, fragte Lilly ganz unbedarft: „Und, Adele, was hat sich
dein Hans als Überraschung für dich ausgedacht?“
Adele antwortete nicht, sondern hielt ihr die Eintrittskarten
zur Operette hin, woraufhin Lilly einen Lachanfall bekam.
„Aber hast du nicht neulich vor dem Plakat gestanden und
gesagt, dass dies überhaupt nicht deine Musik sei?“
„Ja, genau. Das hab ich gesagt“, entgegnete Adele. „Nur mein
lieber Mann hat wieder einmal nicht zugehört. Ich hätte mich so über ein
Wellnesswochenende gefreut. Stattdessen krieg ich diese blöden
Eintrittskarten“.
„Weißt du was“, schoss Hans verärgert zurück, „Lilly und du –
ihr könnt von mir aus ein Wellnesswochenende machen und Walter und ich, wir
gehen in die Operette.“
Da Walter nicht ganz unschuldig an diesem Dilemma war, sagte
er darauf nichts und fügte sich in sein Schicksal. Die Frauen allerdings
frohlockten.
Ein paar Tage später packten diese gut gelaunt ihre Koffer
und freuten sich auf ein Wochenende ohne Männer in einem piekfeinen Hotel - und
die Männer? Die verkauften heimlich die Eintrittskarten zur Operette und
tauschten sie gegen Tickets für ein Fußballspiel.
Und so kam es, dass am Ende doch noch alles gut wurde!
© Martina Pfannenschmidt, 2014