Kathrin saß
an ihrem Schreibtisch, um ihre Hausaufgaben zu erledigen und hatte echt
schlechte Laune. Der Schuldige dafür war schnell gefunden: ihr Lehrer. Einen
Aufsatz sollten sie schreiben und er hatte ihnen Wörter vorgegeben. ‚Reizwörter’
hatte er gesagt. Genau! Das stimmte! Diese Wörter reizten Kathrin und brachten
sie zur Weißglut. Ihr fiel einfach keine Geschichte dazu ein. Sie hatte auch
schon Mama gefragt. „Da fehlt mir wohl die Fantasie, um daraus eine Geschichte
zu zaubern“, hatte sie nur gesagt. Toll! Und sie, was sollte sie nun machen?
Oma! Bestimmt fiel Oma dazu etwas ein.
Flugs rannte sie zu ihr.
„Du Omi“,
plapperte Kathrin sogleich drauf los, „unser Lehrer hat uns eine saublöde
Aufgabe gestellt!“
„So, so und
ich soll dir jetzt dabei helfen, nehme ich an?“
„Ja, Omi, du
musst. Mama fällt dazu nämlich auch nichts ein.“
„Da musst du
aber etwas deutlicher werden. Um was geht es denn?“
„Wir sollen
einen Aufsatz schreiben und der doofe Lehrer hat uns Reizwörter gegeben“,
maulte das Mädchen.
„Na, na,
Kathrin, nun hör aber mal auf zu schimpfen und sicher ist euer Lehrer nicht
doof. Er möchte nur, dass ihr eurer Fantasie freien Lauf lasst“, gab Oma zu
bedenken.
„Wenn die
Fantasie aber nicht laufen will, was soll ich denn dann machen?“, schmollte
Kathrin.
„Na, dann müssen
wir ihr wohl Beine machen“, lachte Oma. „Welche Reizwörter hat er euch denn
vorgegeben?“
„Rose, gelb,
lieblich und tragen“, antwortete Kathrin.
„Nun ja, ich
muss sagen, dass ist eine echte Herausforderung. Mal sehen, was mir dazu
einfällt.“ Oma überlegte. „Also, so eine Rose, die kann ja auch gelb sein.
Vielleicht eine Teerose! Ihr Duft ist lieblich und sie trägt Dornen.“
„Mensch Omi,
klasse Idee, wenn ich das schreibe, habe
ich mit drei Sätzen meinen Aufsatz fertig und alle Wörter sind dabei“, jubelte
Kathrin.
„Aber so war
das nicht gemeint. Es waren nur meine ersten Gedanken dazu. Einen Aufsatz mit
nur drei Sätzen? Ich weiß nicht, ob dein Lehrer damit einverstanden wäre.“
„Stimmt!“,
meinte Kathrin. „Pass mal auf, ich könnte doch schreiben: Meine Oma hat einen
Garten. Darin wachsen viele Blumen. Am liebsten mag sie Rosen. Es gibt rote und
gelbe Rosen dort. Die gelben heißen Teerosen. Sie duften lieblich und
tragen viele Dornen.“
„Ja, das
klingt schon besser, doch so ein richtig schöner Aufsatz ist es noch nicht,
oder? Du hast zwar alle Reizwörter untergebracht, doch es klingt noch nicht so
richtig nett.“
Nee, nett
klang es noch nicht. Das stimmte wohl.
„Versuch
mal“, schlug Oma vor, „dir eine Geschichte einfallen zu lassen, ohne an diese
Wörter zu denken. Anschließend baust du sie ein. Wenn du das Ganze noch ein
bisschen ausschmückst, wird es bestimmt ein ganz entzückender Aufsatz.“
Kathrin
wollte es versuchen. Nachdem sie eine ganze Weile geschwiegen und darüber
nachgedacht hatte, kam ihr eine Idee. Sie beugte sich über ihr Heft und
schrieb:
‚Das Häuschen
meiner Oma steht am Waldrand und ist sehr winzig. Man könnte denken, es sei ein
Haus für Zwerge. Doch wenn ich meine Großmutter besuche, stelle ich mir vor,
sie wohne in einem Schloss, so wie Dornröschen. Das könnte auch sein, denn im
Garten stehen ganz viele Rosen. Oma mag am liebsten Teerosen. Sie sind gelb und
duften besonders lieblich. Wenn ich durch ihren Garten laufe, muss ich
aufpassen, damit ich mich nicht an den Rosen verletze. Sie haben viele Dornen.
Manchmal habe ich Glück und Omas Katze Minka, die, bis auf einen kleinen weißen
Fleck über ihrem linken Auge, ganz schwarz ist, liegt nicht im Liegestuhl. Dann setze ich mich dort hinein. Er sieht zwar schon
ziemlich alt und verwittert aus, doch er ist unheimlich bequem. Dort mache ich
es mir mit einem Buch gemütlich. Ich lese ziemlich viel und das beflügelt meine
Fantasie. Die kann ich gut gebrauchen, wenn ich einen Aufsatz schreiben muss.
Am liebsten schreibe ich einen, wenn uns der Lehrer Reizwörter vorgegeben hat.
Das kann zwar ganz schön schwierig sein, doch mit Fantasie ist das überhaupt
kein Problem. So ein Aufsatz ist im Nu geschrieben. Wer weiß, vielleicht werde
ich später Lehrerin für Deutsch. Ich weiß jetzt schon, welche Reizwörter ich den
Kindern für ihren Aufsatz vorgebe: Rose, gelb, lieblich und tragen.“
© Martina
Pfannenschmidt, 2015