Kathrin kam
aus der Schule nach Hause und betrat die Küche. Mama sah sofort: Ihre Tochter hatte
sich über etwas geärgert. Da war es wohl besser, sie zuerst einmal nicht zu
fragen was los war.
Die Tür
öffnete sich ein zweites Mal und Oma kam herein. Sie ahnte nichts von Kathrins
Ärger und fragte wie so oft:
„Hallo Kathrin, wie war es denn heute in der Schule?“
Kathrins
Miene verfinsterte sich.
„Frag nicht!“
Oma merkte
nun auch, dass es besser war, keine weiteren Fragen zu stellen.
Kurz darauf
sprudelte es jedoch aus Kathrin heraus: „Die Maren, die spinnt! Echt! Sie hat
in der Mathearbeit eine fünf bekommen und der Lehrer hat gesagt, sie habe zu
viele Flüchtigkeitsfehler gemacht. Da hat sie behauptet, dass sei nicht ihre
Schuld. An dem Morgen sei ihr eine schwarze Katze über den Weg gelaufen. Was
hat denn die schwarze Katze mit Marens schlechter Zensur zu tun?“
„Wie ist denn
deine Arbeit ausgefallen“, fragte Oma zunächst, bevor sie auf Kathrins Frage
einging.
„Ausreichend“,
maulte Kathrin.
„Hattest du
mit einer besseren Note gerechnet?“
„Ich nicht“,
schaltete sich Mama ungefragt ein. „Für eine bessere Note muss man sich vielleicht
noch ein bisschen mehr auf den Hosenboden setzen.“
Jetzt war
Kathrin richtig sauer. Das war gemein von Mama. Mit der würde sie heute kein
Wort mehr sprechen.
„Was ist nun,
Omi, was hat die schwarze Katze mit Marens schlechter Note zu tun? Das ist doch
nur eine Ausrede, oder nicht?“
Oma schluckte
kurz. Man merkte, Kathrin kam bald in die Pubertät.
„Das mit der
schwarzen Katze ist reiner Aberglaube!“
„Und was ist
das genau?“
„Der Begriff stammt
aus dem Mittelalter und ist sozusagen das Gegenstück zu unserem christlichen
Glauben. Damals hatte der Aberglaube seine Blütezeit. Von daher stammt auch die
Annahme, dass eine schwarze Katze, die von links nach rechts über die Straße
läuft oder gar stehen bleibt, Unglück verheißt.“
„Aber so eine
Katze ist doch niedlich. Warum dachte man, sie bringt Unglück? Das verstehe ich
nicht.“
„Ich auch
nicht, Kathrin. In einigen Ländern, zum Beispiel in Ägypten, wurden die Katzen
sogar ganz besonders verehrt. Man sah in ihnen heilige Wesen und baute ihnen zu
Ehren Statuen.“
„Du sag mal,
die Sache mit Freitag, dem 13., kommt die auch daher?“
„Ja genau!“
„Kennst du
noch mehr so Sachen, also so Aberglaubensachen?“, fragte Kathrin.
„Ja, da gibt
es einiges: Man darf nicht unter einer Leiter hindurch gehen, zum Beispiel!“
„Und warum
nicht?“
„Der Grund
dafür ist das Dreieck, das durch die Leiter, die Wand und den Boden gebildet
wird. Dreiecke hatten eine heilige Bedeutung und ging man nun dort hindurch,
verletzte man den heiligen Raum und zog damit das Unglück an.“
„Echt?“
Oma tat
ziemlich geheimnisvoll als sie weiter sprach. „Eine Sache weiß ich noch, aber
die ist ganz schön schauderhaft. Willst du sie trotzdem hören?“
„Ja klar!“
„Wenn ich von
deiner Mathearbeit gewusst hätte, hätte ich vielleicht gesagt: ‚Kathrin, ich
drücke dir die Daumen’!“
„Ja, das wäre
gut gewesen!“
„Wenn uns
aber immer bewusst wäre, woher diese Bräuche kommen“, entgegnete Oma, „würden
wir sie vielleicht nicht verwenden. Pass auf, ich erzähle dir, was es damit auf
sich hat. Früher ging man davon aus, dass die Körperteile von Menschen die man erhängt hatte, den Lebenden Glück bringen.
Eine besondere Kraft wurde dabei den Daumen zugesprochen. Wer also den Daumen
eines Gehängten bei sich trug, hatte angeblich besonders viel Glück.“
Kathrin war
ganz blass geworden. So etwas glaubten die Menschen früher? Grauenhaft!
„Aber es gibt
ja auch viele Glückssymbole“, lenkte Oma ein. „Sich denen zu widmen, ist doch
viel schöner. Der Marienkäfer zum Beispiel ist so ein Glücksbringer. Man sagt
über ihn, er sei der Bote der Gottesmutter Maria. Daher hat er ja auch seinen
Namen. Oder denk an das Hufeisen. Da ein Pferd für Kraft und Stärke steht, gilt
auch das Hufeisen als Glücksbringer.“
„Aber
eigentlich ist das doch alles quatsch, oder nicht?“
„Ich denke,
ja! Doch so schnell wird der Aberglaube, in welche Richtung er auch immer geht,
wohl nicht aufhören.“
„Das glaube
ich auch“, schaltete sich nun Mama wieder in das Gespräch ein. „Und eines ist
auch klar, ein vierblättriges Kleeblatt in sein Mathebuch zu legen, ersetzt
nicht das Lernen!“
Kathrin
verdrehte ihre Augen, sagte aber nichts. Heute sprach sie ja nicht mehr mit
Mama.
© Martina
Pfannenschmidt, 2015