Laura
saß auf ihrem gemütlichen Sofa und strickte an einem Paar Wollsocken für sich.
Sie litt ständig unter kalten Füßen, da kamen ihr gestrickte Socken gerade recht.
Ihre
Gedanken wanderten zu ihrem Hochzeitstag, den sie und Oliver in dieser Woche
feiern durften. Das verflixte 7. Ehejahr lag vor ihnen, doch das machte Laura
keine Angst. Sie waren immer noch sehr glücklich. Abrupt sprang sie auf, denn
ihr schoss etwas durch den Kopf. Sie würde schon einmal den Teig ansetzen, um
ihrem Schatz Kekse zu backen. Die, die er so gerne mochte, mit Mandeln darin
und viel Schokolade oben drauf. Sie wollte sie diesmal zu kleinen Herzen formen
und sie ihm heimlich am Hochzeitstag in seine Arbeitstasche schmuggeln. Darüber
würde er sich sicher freuen.
Gerade
in dem Moment, als sie den Teig zum Ruhen in den Kühlschrank legte, betrat ihr
Herzallerliebster den Raum.
„Hallo,
mein Schatz, hattest du einen anstrengenden Tag?“, begrüßte sie ihn.
„Wenn
ich ehrlich bin, ja. Und er ist noch nicht zu Ende. Bitte sei nicht böse, aber
ich musste mir noch ein paar Akten mit nach Hause nehmen. Was gibt’s denn zu
Essen?“
„Ich
dachte …“, schnell schluckte Laura herunter, dass sie dachte, sie könnten gemütlich
essen gehen. Sie sah Oliver an, dass ihm nicht der Sinn danach stand. Deshalb
sagte sie schnell: „Ich dachte, ich hole uns gleich etwas bei ‚Luigi’. Ist das
okay?“
„Ja,
ist okay“, sagte er nur kurz und verschwand in seinem Arbeitszimmer.
Oliver
arbeitete zu viel. Sie hätte sich gewünscht, dass er mehr Zeit für sie haben
würde. Aber man konnte wohl nicht alles haben. Zumindest behauptete ihre
Freundin Susi das. Laura war ja glücklich. Eigentlich! Dieses kleine Wörtchen
machte jedoch den Unterschied, denn da gab es noch etwas, was sie sich
wünschte: Ein Kind! Es war nicht so, dass Oliver nicht auch von einer
‚richtigen’ Familie sprach, doch es bedeutete ihm nicht so viel, wie ihr.
„Wir
haben doch ein schönes Leben“, hatte er ihr einmal gesagt, als sie ihn drängen
wollte, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ob es vielleicht an
ihm liegen könnte, dass sich bisher noch kein Nachwuchs eingestellt hatte. Doch
das kam für Oliver nicht in Betracht. Sie selbst war schon mehrfach beim Arzt
gewesen, der ihr immer wieder bestätigt hatte, dass organisch alles in Ordnung
sei. Das würde dann im Umkehrschluss bedeuten, dass es vielleicht seelische
Gründe gab, die eine Schwangerschaft verhinderten. Susi vermutete, Laura würde
sich zu viel Druck machen.
„Kinder
kommen dann, wenn sie es für richtig halten“, hatte sie gesagt. Susi und Sven
hatten auch keine Kinder, dass machte es Laura im Moment noch etwas leichter,
mit der Kinderlosigkeit klar zu kommen. Die beiden waren ihr insofern ein
Vorbild, als dass sie sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen ließen. „Wir sind
doch noch jung“, hatte Susi gesagt. „Lasst uns doch diese Zeit genießen. Wenn
erst Kinder da sind, dann ändert sich so viel. Im Moment genieße ich noch die
Freiheiten, die man ohne Kinder hat“. Doch so dachte Laura nicht. Jedes Mal,
wenn ihre Regel bevor stand, betete sie inständig, sie möge sich nicht
einstellen. Doch dann kam sie doch und mit ihr eine große Traurigkeit, die sie
Oliver gegenüber aber nicht zeigen wollte. Zweimal schon hatte sie heimlich
einen Schwangerschaftstest gekauft und durchgeführt, nur weil sich ihre Regel
zwei Tage zu spät einstellte. Sie wusste natürlich auch, dass es für einen Test
da noch viel zu früh gewesen war, doch sie konnte es einfach nicht erwarten, das
magische Wort ‚schwanger’ darauf zu lesen.
Lauras
Handy klingelte. Es war Susi, die nachfragte, ob sie kurz auf einen Besuch
hereinschneien dürfte. Fünf Minuten später stand sie bereits vor der Tür.
„Nanu,
du bist ja schneller, als die Polizei erlaubt“, scherzte Laura.
„Ich
war gerade in der Nähe“, stellte Susi klar, „da dachte ich, ich schau mal
herein und verkünde euch die große Neuigkeit.“ Während sich Susi suchend nach
Oliver umsah, war es Laura, als habe ihr die Freundin mit der Faust in den
Bauch geschlagen, denn sie ahnte, mit welcher Nachricht Susi zu ihnen kam.
„Wo
ist denn Oliver?“, fragte sie kurz.
„In
seinem Arbeitszimmer“, antwortete Laura eben so knapp und fügte die Frage an: „Was
gibt es denn Neues?“
„Stell
dir vor, meine Liebe!“ … Lauras Herz klopfte so laut, dass sie dachte, es würde
herausspringen. „Sven hat gestern einen Hund aus dem Tierheim mit nach Hause
geschleppt. Und ich hatte ihm noch gesagt, dass uns so ein Hund nur einschränkt
in unserer Freiheit. Aber jetzt, wo er da ist, muss ich sagen, er würde mir
fehlen, wenn ich ihn wieder weggeben müsste. Ich wollte auch eigentlich nur
wissen, ob ihr ihn euch ansehen möchtet? Dann kommt doch später noch kurz zu
uns.“
Es
war ein dicker Felsbrocken, der Laura vom Herz fiel. Wie hätte sie sich
verhalten, wenn Susi von einer Schwangerschaft erzählt hätte? Wäre es ihr
gelungen, sich mit ihr und Sven zu freuen? Sie konnte und wollte nicht weiter
darüber nachdenken. Da Oliver an dem Abend keine Zeit mehr fand, verlegten sie
den Besuch auf das kommende Wochenende.
Einige
Wochen später saß Laura im Park und beobachtete die Mütter mit ihren Kindern. In
ihrer Handtasche befand sich wieder einmal ein Schwangerschaftstest. Diesmal
war sie schon eine Woche über der Zeit. Sie wusste noch nicht, ob sie sich
darüber freuen sollte. Im Moment war es noch unglaublich schmerzhaft, die
Mütter mit ihren Kindern zu beobachten. Dort, der kleine Junge, der von seiner
Mami getröstet wurde. Daneben das Mädchen mit den blonden Locken, die lustig
hüpften, als es mit Anlauf in den Sandkasten sprang. Wie ihr Kind wohl aussehen würde? Eine junge Frau, die einen
Kinderwagen schob, setzte sich neben Laura auf die Bank.
Argwöhnisch
schaute sie in den Kinderwagen. Das Kind lag dort und spielte mit seiner
Rassel. Dann drehte es das Köpfchen und schaute Laura direkt an. Sein Lächeln
bohrte sich wie ein Messer in ihr Herz, so dass sie aufsprang und regelrecht
davon lief. Sie spürte die verständnislosen Blicke der Mutter in ihrem Rücken.
Sie musste jetzt nach Hause. Laura brauchte Gewissheit. Warum nur, dachte sie, kann
ich nicht auch ohne ein Kind glücklich sein? Laura rannte ins Bad. Kurz darauf zeigte
sich Blut in der Toilette.
©
Martina Pfannenschmidt, 2015