Freitag, 10. November 2017

Fisch sucht Fahrrad

Ganz nach dem Motto Singe, wem Gesang gegeben’ stand Bruno unter der Dusche und brummte: ‚Ich hab drei Haare auf der Brust, ich bin ein Bär’. Das entsprach zwar nicht so ganz den Tatsachen, denn er hatte eindeutig mehr als drei Haare auf der Brust, doch der Rest stimmte. Sein beleibter Körper war dem eines Bären schon sehr ähnlich und außerdem war er genau wie dieser mit Haaren übersät.
Dann sprang Bruno, so elegant, wie es ihm mit seiner Körperfülle eben möglich war, aus der Dusche hervor. Seine Laune war extrem gut, denn er hatte sich gestern mit Maria verabredet. Nie hätte er zu hoffen gewagt, dass sich aus einem speed dating eine weitere Verabredung ergeben würde. Doch es war so gekommen.
Gestern Abend hatte ihn sein Kumpel abgeholt. Er wollte unbedingt zu dieser Veranstaltung mit dem Titel: ‚Fisch sucht Fahrrad’! ‚Wer um alles in der Welt hat sich bloß diesen Slogan ausgedacht’, fragte sich Bruno. Und wer war überhaupt der Fisch und wer das Fahrrad? Aber egal! Dort konnte man Frauen treffen und deshalb ging Bruno mit. Zunächst waren sie etwas enttäuscht gewesen, weil sie sich noch mehr Weiber, wie Brunos Kumpel zu sagen pflegte, auf dieser Veranstaltung erhofft hatten. Doch dann war ihnen klar geworden, dass genau so viele Männer wie Frauen anwesend waren.
Immer 16 Personen saßen, nachdem sie aufgerufen worden waren, am Tisch – jeweils 8 Männer und 8 Frauen. Schon da war ihm Maria aufgefallen, denn im Gegensatz zu den anderen war sie kein ‚Hungerhaken’ und das gefiel Bruno. Er brauchte keine Frau, die nach dem ersten Bissen verkündete ‚mehr schaffe ich nicht, ich bin schon so satt’. Furchtbar war das, wenn diese Frauen danach schon so aussahen, als seien sie im dritten Monat schwanger. Mit so einem weiblichen Wesen würde er nicht klar kommen. Er suchte eine, die zu ihm passte – körperlich und seelisch.
Bruno war zwar rein äußerlich betrachtet ein echtes Mammut, doch auf der anderen Seite war er sehr feinfühlig. Das versteckte er jedoch oft hinter der einen oder anderen frechen Bemerkung. Doch im tiefsten Inneren war er ein ganz lieber Brummbär. Nun galt es nur noch, eine Frau zu finden, die dies erkannte und ihn so liebte, wie er nun mal war.
Die erste Frau, die ihm am Abend zuvor gegenüber gesessen hatte, war eine echte Zicke gewesen. Nichts für ihn, jedenfalls. Sie hatten in der kurzen Zeit, die ihnen zum Kennen lernen blieb, eine sehr gezwungene Unterhaltung geführt und er hatte sofort gespürt, dass die Chemie zwischen ihnen nicht stimmte. Nach drei Minuten ging es dann zur nächsten Frau, doch auch die war nicht nach seinem Geschmack, außerdem war sie viel zu dürr. Doch dann kam Maria und sofort war der Funke übergesprungen. Sie arbeitete in einer Bäckerei, hatte sie erzählt, und offensichtlich probierte sie gerne die Leckereien, die es dort zu naschen gab. Aber das war für Bruno okay. Maria hatte ihm mit ihrem runden Gesicht, den knallroten Wangen und dem liebevollen Blick sofort gefallen. Sie hatten sich gut unterhalten und auch den Rest des Abends miteinander verbracht. Sogar getanzt hatten sie, solange es ihre Kondition erlaubte.
Heute waren sie nun bei ‚Luigi’ am See zum Pizzaessen verabredet und Bruno konnte es kaum erwarten. Viel zu früh saß er an seinem Stammplatz – mit einem Krug Bier vor der Nase. Immer wieder schaute er auf die Uhr, aber die Zeit schien nicht zu vergehen. Doch dann war es soweit. Seine Angebetete kam um die Ecke und strahlte ihn an. Bruno war glücklich. Maria hatte ihn nicht versetzt. Beim Blick in die Speisekarte waren sie sich schnell einig. Sie hatten beide Hunger und bestellten sich eine große Pizza. ‚Miavolo’ mit viel Speck, Schinken und Zwiebeln sollte es sein – aber ohne Kapern. Nachdem sie alles mit großem Appetit verspeist hatten, überlegten sie, wie sie nun den weiteren Nachmittag verbringen wollten.
„Vielleicht“, schlug Maria vor, „sollten wir uns bei diesem Sonnenschein ein Ruderboot mieten.“
Das war eine sehr gute Idee. So konnte Bruno ihr gleich beweisen, dass er ein starker Mann war, der seine Liebste mühelos über das Wasser schippern konnte.
Vorsichtig stiegen sie ins Boot, das daraufhin einen beträchtlichen Tiefgang zeigte. Scheinbar mühelos glitt das Boot dank Brunos Manneskraft über den See. Nur die Schweißperlen, die sich auf seiner Stirn bildeten, zeugten davon, wie anstrengend das Rudern für ihn war. Doch das wollte er sich natürlich nicht anmerken lassen. Die Sonne tat ihr übriges und so waren auf seinem Hemd nach kurzer Zeit bereits große Schweißspuren zu sehen, so dass Maria Mitleid verspürte und anbot: „Bruno, ich würde auch sehr gerne einmal rudern. Was meinst du, wollen wir die Plätze tauschen?“
Bruno antwortete nicht sogleich, denn er wollte nicht, dass Maria den Eindruck hatte, als würde es ihm zu schwer werden, doch andererseits war die Aussicht auf eine kleine Pause sehr verlockend und so erwiderte er dann doch: „Wenn du möchtest“. Ohne weitere Absprache standen beide gleichzeitig auf. Das Boot begann ganz furchtbar zu schwanken. Weder Bruno noch Maria konnte ihr Gleichgewicht halten und so plumpsten sie kopfüber in den See. Zwei Enten erschraken und flatterten aufgeregt davon. Die Menschen in den anderen Booten hatten das Spektakel beobachtet und ruderten zu den beiden Gekenterten, doch jeder Versuch, sie irgendwie ins Boot zu ziehen, scheiterte, und so schwammen sie durch das extrem trübe Wasser zurück an Land. Wie peinlich! Maria wäre am liebsten im Erdboden versunken, doch das war leider nicht möglich. Begossen wie zwei Pudel und behängt mit Algen standen sie am Ufer und spürten die hämischen Blicke der umstehenden Gäste auf sich ruhen. Doch Bruno wäre nicht Bruno gewesen, hätte er diese Situation nicht souverän gemeistert. Er sah sich um und verkündete: „Ja, meine Lieben, so sieht das aus, wenn ein dicker Mann ins Wasser plumpst!“
Dann lachten alle – auch Maria, die sich freute, Bruno in dieser Situation an ihrer Seite zu haben. Luigi reichte beiden ein Handtuch und dann gingen die zwei zu Brunos Wohnung, die sich ganz in der Nähe befand.
Als sie etwas später frisch geduscht auf der Terrasse saßen und Maria es sich in Brunos XXL-Bademantel so richtig gemütlich gemacht hatte, schmunzelte sie, denn sie wusste jetzt:
Auch für einen dicken Fisch gibt es ein passendes Fahrrad!


© Martina Pfannenschmidt, 2014