Donnerstag, 9. November 2017

Guter Mond, du stehst so stille

Wie eine große silbrige Scheibe stand er hoch oben am Himmel, der gute alte Mond, und erhellte das kleine verschlafene Dorf, das malerisch zwischen Hügeln eingebettet lag. Die Turmuhr schlug 3 x Bomm, Bomm, Bomm, als der kleine Pascal erwachte und sich über die Helligkeit im Zimmer wunderte. Er griff nach seinem Teddybären, der immer mit ihm im Bett schlafen durfte.
„Du, Teddy“, flüsterte er dann in dessen Ohr „ist es wohl schon Zeit aufzustehen? Es ist so hell. Denkst du, ich darf zu Mama ins Bett hinüber schleichen?“
Es schien Pascal, als habe Teddy mit dem Kopf geschüttelt. Dann war es wohl doch noch Nacht. Doch der Junge konnte nicht wieder einschlafen. Es war einfach zu hell im Zimmer. Deshalb stand er auf und ging zum Fenster, um nachzuschauen, was der Grund dafür war. Seinen Teddy hatte er dabei fest in seinem Arm.
Dem Stoffbären fehlte ein Auge, doch das war nicht so schlimm, denn Mama hatte an die Stelle einen silbernen Knopf genäht. Das machte den Teddy einzigartig. Er war sowieso etwas Besonderes, fand Pascal.
Nachdem der Junge eine Weile mit seinen nackten Füßen vor dem Fenster gestanden und den Mond am Himmel beobachtet hatte, sagte er zu seinem Teddy:  
„Warte, ich drehe dich um. So, nun kannst du den Mond auch sehen. Weißt du, Teddy, wenn ich abends in mein Zimmer komme und es ist dunkel, dann mache ich das Licht an und Mama macht es wieder aus, wenn sie aus dem Zimmer geht …“
Der Teddy hörte aufmerksam zu. Nach einer Weile sprach Pascal weiter: „Aber wer macht eigentlich das Licht auf dem Mond an und wieder aus? Ich glaube nämlich, jemand hat das vergessen.“
Da war auch Teddy überfragt.  
Plötzlich drehte sich der Junge um, schmiss seinen Bären kurzerhand auf das Bett und verkündete entschlossen: „Ich ziehe mich jetzt an und dann fahren wir hoch zum Mond und machen das Licht aus und du kommst mit.“
Aber das geht doch nicht, wird der Teddy erschrocken gedacht haben, dass ist doch viel zu gefährlich. Doch er konnte Pascal leider nicht aufhalten, der dann auch schon fragte: „Teddy, wir nehmen mein Rutsche-Auto, oder?“ Eine Antwort wartete er gar nicht ab.
Pascal zog seine Schuhe an und nahm seine Jacke vom Haken. Dann schob er einen Hocker zum Fenster, denn dort sollte die abenteuerliche Tour beginnen.  
Genau in dem Moment öffnete Pascals Mutter, die vom Schieben des Hockers wach geworden war, die Zimmertür. Als sie ihren Sohn sah, rief sie erschrocken: „Pascal, was machst du da? Schlafwandelst du?“
„Nein, ich wollte zum Mond und das Licht ausmachen. Ich kann nämlich nicht mehr schlafen, weil er so hell in mein Zimmer scheint. Jemand muss vergessen haben, das Licht auf dem Mond zu löschen“, erklärte er seiner Mama.
„Na, da bin ich ja gerade noch rechtzeitig gekommen. Weißt du, wie gefährlich es ist, aus dem Fenster zu klettern? Nicht auszudenken!“, rief Mama entsetzt. „Komm mal her, kleiner Mann.“ Schnell  hob sie ihr Kind von der Fensterbank herunter und sprach sehr ernst weiter: „Pascal, hör zu. So etwas darfst du nicht noch einmal machen. Das musst du mir versprechen. Stell dir bloß vor, was alles hätte passieren können. Du hättest aus dem Fenster fallen und dir das Bein brechen können oder es wäre gar noch etwas viel Schlimmeres passiert.“
Dies alles hatte Pascal gar nicht bedacht.
Doch wenn  e r  nicht zum Mond konnte, um das Licht auszumachen, wer sollte es dann tun? Vielleicht Mama? Deshalb fragte er, als er wieder in seinem Bett lag: „Mama, kannst  d u  zum Mond gehen und das Licht ausmachen?“
„Nein“, antwortete Mama etwas gereizt, „dass kann ich leider nicht. Doch morgen nach dem Frühstück erkläre ich dir, wieso der Mond hell ist. Aber jetzt wird zuerst einmal weiter geschlafen.“
Sie gab Pascal einen Kuss auf die Stirn und sagte zum Teddy: „Pass bloß gut auf meinen kleinen Jungen auf.“
Nachdem Pascal aufgestanden war, musste er zunächst diese furchtbar bittere Medizin schlucken. Heute klappte das ohne Widerworte, denn er wollte zügig frühstücken, damit Mama ihm die Sache mit dem Mond erklären konnte.
Dann war es endlich so weit.
„Der Mond“, erklärte Mama, „hat gar kein eigenes Licht. Er ist ganz grau, hat hier und da tiefe Mulden und auch kleine Berge. Doch es gibt kein Licht auf dem Mond.“
„Doch, Mama, es muss dort Licht geben“, beharrte der Junge. „Ich habe den Mond doch ganz genau gesehen. Er war ganz hell – nicht grau.“
„Genau! Er war ganz hell, aber nicht von sich aus. Man könnte sagen, dass die Sonne auf dem Mond das Licht angemacht hat. Wenn die Sonne bei uns auf der Erde untergegangen ist, fallen ihre Strahlen auf den Mond, den wir bei Vollmond als große Scheibe am Himmel sehen und von dort aus fallen sie dann zurück zu uns auf die Erde. Dafür gibt es ein schwieriges Wort - es heißt reflektieren. Und wir Menschen auf der Erde denken dann, der Mond habe sein Licht angemacht. Und morgens, wenn die Sonne bei uns auf der Erde wieder zu sehen ist, dann strahlt ihr Licht Richtung Erde und nicht mehr Richtung Mond.“
Dann stand Mama auf, denn sie hatte etwas vorbereitet. Sie hängte einen Luftballon auf und dann schaltete sie das Licht in der Küche aus, so dass es dunkel wurde. Danach nahm sie eine Taschenlampe zur Hand und leuchtete von unten den Luftballon an. Im selben Moment erstrahlte er ganz hell. „Siehst du Pascal. Die Taschenlampe ist die Sonne und der Ballon dort oben, dass soll der Mond sein. Der Ballon kann auch nicht leuchten und dennoch ist er jetzt ganz hell.“
 „Ach so ist das“, freute sich der Junge. „Das ist ja pippi-einfach. Das hab ich verstanden.“
„Na, da bin ich aber froh“, antwortete Mama und musste schmunzeln. „Und beim nächsten Mal, da fragst du mich gleich und machst keine Experimente – versprochen, mein kleiner Forscher?“
„Versprochen“, antwortete Pascal.
„So und jetzt ab in den Kindergarten“, ordnete Mama an „aber Zackzack!“

© Martina Pfannenschmidt, 2014