„Mama,
warum weinst du?“, fragte Tabea besorgt, als sie in die Küche stürmte und ihre
Mutter mit Tränen in den Augen sah. Doch
schnell konnte sie sich die Antwort selbst geben. Mama hatte gerade eine
Zwiebel in kleine Würfel geschnitten.
„Was
gibt es denn zum Mittagessen?“, war die nächste Frage, die das Mädchen stellte.
Doch auch diese musste Mama nicht beantworten, denn schon schaute Tabea in den Topf: „Oh, Nudeln mit Tomatensoße –
lecker!“
„Wenn
du möchtest, kannst du schon mal den Tisch decken“, schlug Mama vor.
„Nö,
keine Lust. Kannst mich ja rufen, wenn du fertig bist.“
Schon
war die freche Göre wieder verschwunden.
Mama
schmunzelte. Sie war als Kind nicht anders und Arbeiten, die mit dem Haushalt
zu tun hatten, gehörten damals auch nicht zu ihren Lieblingsaufgaben.
Bald
darauf füllte Tabeas Mutter Nudeln mit Tomatensoße auf Teller.
„Pass
auf, dass du nicht wieder kleckerst“, spielte sie dabei auf den Fleck an, den
ihre Tochter sich das letzte Mal auf einer weißen Bluse eingefangen hatte. Die
Aussage veranlasste das Mädchen, die Augen zu verdrehen. Immer diese
Belehrungen. Sollte Mama lieber aufpassen, dass es ihr nicht passierte.
Außerdem bestand diesmal sowieso keine Gefahr. Auf ihrem dunkelroten Shirt würde so ein kleiner Tomatensoßen-Klecks doch gar
nicht auffallen.
Just
als Tabea die letzte Gabel voll mit der leckeren Köstlichkeit in den Mund
geschoben hatte, klingelte das Telefon. Sie sprang auf, nuschelte etwas, dass
wie ‚ich geh schon’ klang und sprintete in die Richtung, aus der das Klingeln
kam.
„Hallo,
hier ist Tabea Richter.“
„Und
hier ist Opa Hans! Das ist ja schön, dass ich dich gleich am Telefon hab. Pass
mal auf, mein Kind, ich habe eine Überraschung für dich. Kannst mal eben
rüberkommen. Am besten gehst du gleich zur Pferdekoppel.“
„Mach
ich“, erwiderte sie, gab kurz ihrer Mutter Bescheid und lief ein paar Häuser
weiter zum Bauernhof ihres Großvaters. Genauer gesagt, schlug sie gleich die
Richtung zur Pferdekoppel ein.
„Ich
glaub es nicht!“, rief das Mädchen schon von weitem. „Woher kommt das denn?“
„Da
staunst du, nichtwahr! Erinnerst du dich an den Zirkus, der hier letztens gastierte?
Der Direktor ist schwer erkrankt und muss seinen Zirkus deshalb aufgeben. Jetzt
sucht er ein neues Zuhause für seine Tiere und nun hat er mich gefragt, ob ich
mir zutrauen würde, sein Zebra aufzunehmen.“
„Das
ist ja geil!“
Schon
kletterte Tabea mutig über den Zaun,
doch Opa hielt sie auf. „Halt, mein Fräulein, so haben wir nicht gewettet. Auch
wenn das Zebra an Menschen gewöhnt ist, bleibt es ein Wildtier, das zubeißen
kann, wenn es sich bedroht fühlt.“
„Aber
doch nicht von mir. Ich will es doch nur streicheln und willkommen heißen hier
auf unserer Weide.“
„Ja,
ich weiß. Trotzdem, sei bitte vorsichtig.“
Tabea
versprach es und Opa ging zurück zum Stall, um seine Arbeiten zu verrichten.
Mist,
jetzt hatte sie vergessen, ihren Großvater nach dem Namen des Zebras zu fragen.
„He
du“, rief sie deshalb fragend Richtung Zebra, „wie heißt du eigentlich?“
„Pyjama!“
Das
Mädchen drehte sich um. Wie jetzt? Wer hatte gerade Pyjama gesagt?
„Ich
heiße Pyjama!“
Tabea
sah wieder Richtung Zebra, das langsam auf sie zukam.
„Du
wolltest doch wissen, wie ich heiße“, meinte es. „Man hat mich wegen meiner
Streifen so genannt.“
Tabea
lachte laut auf. Sie wusste allerdings nicht so genau, worüber sie eigentlich
lachte, über den Namen oder darüber, dass das Zebra mit ihr sprach.
„Und
wie heißt du?“, erkundigte sich das Tier.
„Tabea!“
„Das
ist ein schöner Name“, erwiderte das Zebra. „Und, wie kommt es, dass du dich
hierher zu mir verirrt hast?“
„Der
Bauer ist mein Opa. Er hat mich angerufen und gesagt, er habe eine Überraschung
für mich.“
„Und
ich bin die Überraschung?“, wollte das Zebra wissen und stellte aufgeregt die
Ohren auf.
„Ja,
genau!“
„Ich
war noch nie in meinem Leben eine Überraschung, noch niemals in meinem ganzen
Leben.“ Vor Freude drehte es sich einmal um sich selbst und gab dabei eigenartige
Geräusche von sich. Tabea hatte niemals zuvor ein Zebra wiehern hören.
„Nachdem
ich geboren war“, erzählte Pyjama, „verstarb meine Mama. Kurz darauf wurde ich
in den Zirkus verbracht. Ich kam in den Stall zu den Pferden. Es gab ein
pechschwarzes Pferd, einen Rappen, und ein weißes, also einen Schimmel. Die
beiden waren sehr nett und nahmen mich freundlich auf. Nur die Menschen, die
machten sich lustig über mich. Ich hätte mich wohl für keine der beiden Farben
entscheiden können, meinten sie und dass ich aussähe wie der Zirkusdirektor in
seinem gestreiften Schlafanzug. Schon hatte ich meinen Namen weg.“
„Ich
finde deinen Namen lustig“, meinte Tabea und fügte ein Frage an: „Sag,
vertragen sich Zebras und Gazellen?“
„Ja
klar, weshalb fragst du?“
„Weil
Tabea Gazelle bedeutet!“, antwortete das Mädchen.
Das
Zebra schüttelte den Kopf und gab dabei noch wundersamere Geräusche von sich.
Ein
lachendes Zebra auf Opas Pferdekoppel.
Was
ihre Freundinnen wohl dazu sagen würden?
©
Martina Pfannenschmidt, 2016