Maja
zog die Bettdecke über ihren Kopf. Es war nicht auszuhalten. Ihr
Herzallerliebster lag neben ihr und knirschte
mit den Zähnen. Das war ein eindeutiger Hinweis darauf, dass er wieder einmal
zu viel Stress hatte und meinte, er könne das Problem lösen, indem er die Zähne
zusammen biss. Vielleicht lag es an seiner Erziehung, dass er selten Emotionen
zeigte und diese nachts abbauen wollte, indem er nicht nur im übertragenen Sinn
die Zähne zusammen biss, sondern wirklich und wahrhaftig. Morgen früh würde er
mit Kopfschmerzen aufstehen und total verspannt sein. Sie kannte das schon.
Eigentlich
müssten sie gemeinsam den Stress abzubauen. Am besten dadurch, dass sie sich mehr
bewegten. Doch sie hatten ja sowieso
schon so wenig Zeit. Es konnte aber genauso gut sein, dass das nur eine Ausrede
war, denn Zeit nahm man sich immer für die Dinge, die einem wichtig waren. Sie
würde morgen ein intensives Gespräch mit ihrem Mann und mit ihrem inneren
Schweinehund führen müssen.
Ihre
Gedanken wanderten weiter. Bis zum nächsten Urlaub war es noch ein Weilchen
hin. Deshalb hatten sie auch noch gar nicht darüber gesprochen, wohin die Reise
gehen sollte. In jedem Fall müssten sie sich entspannen. Doch Entspannung sah
ja für jeden Menschen anders aus. Der eine buchte eine Kajak-Tour, der andere besuchte lieber die Museen dieser Welt und
der Dritte schnorchelte mit großer Begeisterung im glasklaren Wasser der Karibik. Aber das war nichts für Maja. Sie
mochte das Meer zwar und auch die Wärme, doch am liebsten lag sie in einem
Liegestuhl am Pool. Maja konnte es nicht ertragen, zwischen all den glitschigen
Fischen herum zu schwimmen. Vielleicht wäre es aber sinnvoll, diesmal einen
Urlaub mit ein bisschen mehr körperlicher Aktivität in Betracht zu ziehen. - Bald
darauf schlief sie wieder ein und träumte vom Meeresrauschen und bunten
Fischen.
Wie
erwartet rieb sich ihr Gatte am nächsten Morgen den Kiefer. „Na, mein Schatz,
wieder die Zähne zusammen gebissen?“, fragte Maja ihn deshalb – vielleicht ein
kleines bisschen zu provokativ.
„Quatsch!“,
war seine kurze und mürrische Antwort darauf. Ja, so war er, ihr Willi – ein
großer Morgenmuffel vor dem Herrn. Da war es besser zu schweigen und ernste
Gespräche auf den Abend zu verlegen.
Maja
sah zunächst auf ihre Armbanduhr, anschließend hinaus auf die Straße. Wo blieb ihr Willi nur wieder?
Sie wartete seit einer Stunde mit dem Abendessen auf ihn. Im selben Moment bog
er in die Einfahrt. Das wurde aber auch Zeit.
Maja
hatte einen deftigen Auflauf zubereitet, über den sich beide mit großem Appetit
hermachten. Gleich nach dem Essen suchte sie das Gespräch mit ihrem Mann.
„Willi,
du hast heute Nacht wieder derart mit den Zähnen geknirscht, dass ich nicht
schlafen konnte.“
„Tut
mir leid. Ich merke das gar nicht.“
„Das
weiß ich ja, aber wir müssen etwas dagegen tun.“
„Ich
hole mir gleich morgen einen Termin beim Zahnarzt für eine Zahnschiene“,
versprach er.
Das
war schon mal eine gute Idee, doch Maja wollte ja auf etwas Anderes hinaus.
„Das
ist gut, doch die Schiene hilft leider nicht gegen deinen Stress. Ich schlage
vor, dass wir ihn gemeinsam abbauen und das idealerweise an der frischen Luft
und mit ein bisschen mehr Bewegung.“
Willi
schien wenig begeistert: „Bewegung – du denkst bestimmt ans Joggen. Du, das tut
den Gelenken gar nicht gut, hab ich gehört. Die Überbeanspruchung schadet mehr,
als das sie nutzt.“
„Das
ist doch eine Ausrede, Willi. Wir müssen ja nicht gleich einen Marathon laufen
und außerdem können wir auch walken.“
„Walken?
Das kommt schon mal gar nicht in Frage. Ich mache mich doch nicht lächerlich
und laufe mit Stöcken in den Händen durch die Gegend. Wenn ich das schon sehe“,
meinte Willi und untermauerte seine Worte mit einer abwertenden Handbewegung.
„Du,
das tun aber viele Tausend andere …“
Bevor
Maja weiterreden konnte, fiel Willi ihr ins Wort: „… ich aber nicht!“
„Gut,
dann gehen wir schwimmen.“
„Aber
ich denke, ich soll an die frische Luft. Die Freibäder sind aber nur in den
Sommermonaten geöffnet.“
Das
war natürlich ein Argument, das Maja nicht widerlegen konnte. Vielleicht sollten
sie die Sache mit der Bewegung doch noch einmal verschieben. Bestimmt machte es
auch Sinn, das ganze Unternehmen mit einer Ernährungsumstellung zu verbinden.
Diesen Gedanken wollte sie in jedem Fall im Hinterkopf behalten.
Irgendwie
überkam Maja ein gutes Gefühl: Jawohl, sie würden sich mehr bewegen und
gesünder essen, nur halt noch nicht sofort und jetzt gleich, aber aufgeschoben
war ja nicht aufgehoben.
Ganz
nach dem Motto: Allein der Gedanke zählt, fühlte sie sich richtig gut, als sie
später im Wohnzimmer vor dem Fernseher saß. Als ihr Mann sich zu ihr gesellen
wollte, rief sie ihm zu: „Willi, bringst du bitte die Tüte Chips mit.“
©
Martina Pfannenschmidt, 2016