Donnerstag, 9. November 2017

Träume sind Botschaften der Seele

Als Oma in der Küche Kaffee kochte, kam Kathrin ganz verschlafen zu ihr.
„Guten Morgen, meine kleine Schlafmütze“, begrüßte Oma ihre Enkelin. „Hast du gut geschlafen?“
Anstatt darauf zu antworten, fragte Kathrin: „Wo sind Mama und Papa?“
„Schau“, sagte Oma und zeigte auf den Tisch, „dort liegt ein Zettel.“
Das Mädchen nahm ihn an sich und las.
‚Guten Morgen, meine Süße, wir bekamen heute schon ganz früh einen Anruf von Oma Grete. Sie ist gestürzt. Papa und ich fahren zu ihr und schauen, was los ist. Bis dann – wir kommen so schnell es geht zurück! Mama’
Kathrin war plötzlich hellwach. „Hoffentlich hat sich Oma Grete nichts gebrochen“, meinte sie besorgt.
„Das wäre auch mein Wunsch, kleine Kathrin“, erwiderte Oma.
„Omi, du sollst das nicht immer sagen. Ich bin nicht mehr klein“, beschwerte sich das Kind.
„Wie recht du hast. Du bist so schnell groß geworden. Daran kann ich mich noch gar nicht gewöhnen. Also meine Große, möchtest du zuerst ins Bad oder vorher frühstücken?“
„Frühstücken“, stand für Kathrin fest und schon saß sie am Tisch. Butter, Marmelade, Käse, Brötchen, Eier, Saft – Oma hatte an alles gedacht.
„Du Omi, ich habe etwas ganz Eigenartiges geträumt.“
„Was denn?“
„Ich war am Meer und malte ein Segelschiff und Wellen. Aber eigentlich kann ich gar nicht so toll malen, wie in meinem Traum.“
„Ich glaube ja, dass Träume uns auf etwas hinweisen möchten. Vielleicht wurdest du auf deine Talente aufmerksam gemacht, die noch in dir schlummern.“
„Denkst du wirklich?“
„Ja!“
„Manchmal“, erinnerte sich Kathrin, „konnte ich in meinen Träumen sogar schon fliegen. Was könnte das denn bedeuten?“
„Lass mich mal überlegen“, antwortete Oma. „Also, zu fliegen heißt, in relativ kurzer Zeit von einem Ort zum anderen zu gelangen. Wer fliegt, fühlt sich frei. Ein Glücksgefühl! Vielleicht hast du das Gefühl, an einer Stelle in deinem Leben geht es nicht schnell genug voran. Was meinst du, könnte das sein?“
„Weißt du Omi, die Erwachsenen sagen immer, dass ihnen die Zeit zu schnell vergeht. Mir geht es aber oft viel zu langsam. Ich wäre gerne schon 17 Jahre alt, dann könnte ich den Führerschein machen und auch bald studieren. Aber eigentlich weiß ich noch gar nicht, was. Vielleicht ging es in diesem Traum darum.“
„Könnte sein“, erwiderte Oma. „Doch weißt du, ich finde es schade, dass du so denkst. Du erlebst doch jetzt gerade eine wundervolle und unbeschwerte Zeit. Die Jahre der Kindheit gehen schnell vorüber, auch wenn du das im Moment nicht so empfindest. Du kannst sie gar nicht richtig genießen, wenn du jetzt schon ständig an später denkst und was dann sein wird. Schau, nur dieser Augenblick ist wichtig. Alles andere sind die Vergangenheit oder die Zukunft. Wenn wir nun ständig an das eine oder das andere denken, verpassen wir diesen glücklichen Augenblick. Und das wäre doch wirklich schade.“
„Das stimmt. Du meinst also, ich soll jeden Tag und jeden Augenblick genießen und mir nicht schon jetzt Gedanken über meine Zukunft machen?“
„Genau das meine ich. Du bist so ein fröhliches klei… großes Mädchen“, verbesserte sich Oma gerade noch rechtzeitig, „nimm dir die Zeit, erwachsen zu werden. Das musst du noch lange genug sein.“
„Ich glaube, du hast recht. Ich bin doch noch nicht ganz so groß wie ich dachte. Und deshalb kann ich dir jetzt auch leider nicht beim Abräumen des Tisches helfen.“
Schon war der kleine Frechdachs lachend Richtung Bad verschwunden.


© Martina Pfannenschmidt, 2015