Freitag, 10. November 2017

Urlaubspläne

He, hallo, kann mir vielleicht mal einer erklären, was hier los ist? Den ganzen Tag heißt es nur: ‚Arthur, du liegst im Weg. - ARTHUR, Mensch, fast wäre ich über dich gestolpert. Geh in dein Körbchen.’
Würde ich ja sogar machen. Gegen ein gepflegtes Mittagsschläfchen hätte ich nämlich gar nichts einzuwenden, aber irgendetwas stimmt hier heute nicht. Sie räumen die Schränke aus. Ob wir umziehen wollen? He, Frauchen, hörst du mich nicht? Ich will hier gar nicht weg! Es gefällt mir hier gut. Der Garten ist schön und die Nachbarkatze, die würde ich schon ziemlich vermissen. Da kommt Herrchen. Ich werde ihm mal an der Ferse bleiben. Vielleicht erfahre ich von ihm etwas.
„Mensch, Arthur, nun lauf mir doch nicht die ganze Zeit wie am Bindfaden hinterher. Du siehst doch, dass ist beschäftigt bin.“
Ja, sehe ich. Aber wenn ich mal eben kurz protestieren dürfte: Wenn ihr mir sagen würdet, was hier los ist und ich euch nicht die Würmer einzeln aus der Nase ziehen müsste, ginge ich ja vielleicht in mein Körbchen. Aber so! Und übrigens: Ihr sollt nicht immer, Mensch, Arthur, sagen. Ich bin kein Mensch, falls euch das noch nicht aufgefallen ist. Und übrigens, dass ich einen so blöden Namen trage, dafür seid ihr verantwortlich. Wisst ihr, wie andere Herrchen und Frauchen ihren Hund nennen? Ich könnte es euch sagen: Adonis zum Beispiel – wäre mir geradezu auf den Leib geschrieben – oder Beethoven oder vielleicht Da Vinci. Aber Arthur?!? Grauslich! Die Nachbarkatze, die den zauberhaften Namen Alice tragen darf, die zieht mich immer mit meinem Namen auf. Aber davon habt ihr ja keine Ahnung. - Oh, da tut sich was. Frauchen kommt ins Schlafzimmer – singend. Sie hat verdammt gute Laune. Was das nur alles zu bedeuten hat?
„Liebster, hilfst du mir mal eben. Ich komme nicht an den Koffer dort oben.“
„Nicht noch einen“, stöhnte er auf. „Wir haben dafür keinen Platz mehr im Auto. Darf ich dich erinnern, dass wir für gerade einmal zwei Wochen in den Urlaub fahren und du Klamotten einpackst für ein halbes Jahr!“
Was hören da meine aufgestellten Ohren? Urlaub?!?! Wer fährt in den Urlaub und wann? He, ihr, kann ich mit oder komme ich wieder zu dieser blöden Frau in die Hundepension? Das muss ich jetzt sofort wissen. Weil, wenn ich wieder dahin soll, reiße ich jetzt auf der Stelle aus. Ne, dass könnt ihr voll vergessen. Da gehe ich nicht wieder hin. Bei der war es total öde und langweilig. Sie hat mir nur mein Fressen hingestellt – wenig genug, wenn ich das mal eben so nebenbei erwähnen darf -, hat mich anschließend in den Garten geschickt und fertig. Die ist kein einziges Mal mit mir spazieren gegangen. Ich sags euch, Leute, wenn ihr mich wieder zu der bringt, beiße ich ihr ins Bein – oder euch. So, jetzt wisster Bescheid.
Arthur trottete ins Kinderzimmer. Vielleicht war ja hier Genaueres zu erfahren. Oh, Susi packte gerade ihren neuen Bikini ein. Der war pink und sie sah darin total sexy aus. Also so aus Sicht eines männlichen Menschen. Er hatte da ganz andere Vorlieben. Aber darüber zu schwafeln, dafür blieb jetzt keine Zeit. Er musste auskundschaften, ob er zu der Tagesmutter für Hunde sollte.
„Na Arthur“, sagte Susi freundlich und fand sogar Zeit, ihn hinter den Ohren zu kraulen, was er besonders mochte. „In ein paar Stunden müssen wir voneinander Abschied nehmen. Aber nicht für lange. In 14 Tagen sind wir wieder da. Es war doch ganz schön für dich in der Hundepension im letzten Jahr, oder?“
NEIN, war es nicht. Ganz und gar nicht. - Er musste dies verhindern und zwar schnell. Wie könnte er es in allerletzter Minute schaffen, dass die Familie hier blieb oder noch besser, dass sie ihn mit nahm in den Urlaub. Was war zu tun? Arthur verkrümelte sich mit eingezogenem Schwanz in sein Körbchen. Da konnte er am besten nachdenken. Wenn nur die Zeit nicht so knapp wäre, würde er schauen, ob Alice irgendwo herum streunerte. Sie hätte ihm bestimmt einen Tipp geben können. Aber vielleicht?! Arthur kam eine Idee. Er stand auf, ließ den Kopf, die Ohren und den Schwanz hängen, so tief es ihm eben möglich war und humpelte los. Jetzt musste er nur noch jemanden finden, der dies bemerkte.
„Arthur“, ertönte es im selben Moment, „was ist denn mit dir passiert? Bist du irgendwo hinein getreten? Aber du warst doch die ganze Zeit im Haus. Was ist nur los mit dir? Schatz, komm schnell her“, rief Frauchen, „ich glaube, wir müssen mit Arthur zum Tierarzt.“
Tierarzt?!?!? NEIN!!!! Nicht zum Tierarzt. Ich brauche keine Spritze. Ich will doch nur mit in den Urlaub. Versteht mich denn hier keiner?
„Eben war doch noch alles in Ordnung“, antwortete Herrchen. „Das verstehe ich nicht. Vielleicht hat er nur eine falsche Bewegung gemacht und sich die Pfote verstaucht. Das wird bestimmt bald wieder werden.“
„Meinst du, die Frau von der Tierpension nimmt ihn so humpelnd?“
„Keine Ahnung, ich denke schon“, meinte Herrchen.
Nein, sie nimmt mich nicht. Da bin ich mir ganz sicher.
Arthur ging es gar nicht gut. Klar war seine Pfote in Ordnung, aber sein Magen. Ihm war von der ganzen Aufregung ganz flau und eher er nach draußen laufen konnte, passierte es. Er legte Frauchen seine letzte Mahlzeit direkt vor die Füße.
„Arthur, musste das jetzt auch noch sein? Wie das stinkt! NEIN, Arthur, NEIN, du leckst das jetzt auf keinen Fall weg. Was ist nur mit dir los? Kann mal bitte einer kommen und die Schweinerei hier weg machen.“
Ich würde es ja machen, dachte Arthur, aber wenn ihr mich nicht lasst. Entschuldigung! Das wollte ich jetzt wirklich nicht. Eigentlich will ich doch nur bei euch sein. Könnt ihr das denn nicht verstehen?
Der kleine Leon kam aus seinem Zimmer und stupste Papa an: „Du, Papa, wenn es dem Arthur nicht gut geht, sollten wir ihn vielleicht nicht in die Hundepension bringen. Zwischen Susi und mir ist doch noch genug Platz für ihn. Wir machen uns auf der Rückbank ganz klein. Das wird schon gehen.“
„Was denkt ihr“, fragte Papa in die Runde, „wollen wir ihn mitnehmen?“
Als Arthur später mit allen zusammen im Auto unterwegs war, war er echt glücklich. Nur etwas machte ihm Sorgen: Von der Schaukelei im Auto wurde ihm schon wieder so flau im Magen!


© Martina Pfannenschmidt, 2015