Die Freunde des Herrn Vogel waren echte Spaßvögel. So hatten sie ihm zum
Geburtstag einen Nistkasten geschenkt. ‚Nomen est omen’ hatten sie gemeint.
Im Gegensatz zu Adelheid und Paul Meise, dem Kohlmeisenpaar, war Herr
Vogel nur mäßig begeistert. Doch er hatte den Nistkasten prompt in seinem
Garten aufgehängt.
Gerade noch rechtzeitig, denn Adelheid brauchte dringend einen
Unterschlupf, um ihre Eier ablegen zu können. 9 kleine Kohlmeisen hatten die
beiden nun groß gezogen. Die Kinder waren aus Platzgründen inzwischen
ausgezogen und Adelheid und Paul wieder alleine.
Da Paul Meise neugierig war, flog er jeden Morgen zu den Spatzen. Sie
wohnten in der Hecke des Friseurs und waren immer auf dem neuesten Stand, was
den Klatsch und Tratsch betraf. Heute kam Paul mit der Nachricht nach Hause,
dass in der nahe gelegenen Burg eine Trauung stattfinden würde - eine
Menschentrauung.
„Und“, meinte Adelheid schmunzelnd, „willst du hingehen und das Kyrie
Eleison singen?“
Paul überhörte die Anspielung auf die Vogelhochzeit, bei der er
auserwählt gewesen war, selbiges zu singen. Er ging gar nicht darauf ein und
sagte nur: „Ich flieg hin, willst du mit?“
Da Adelheid sich mit ihrer Freundin zum Duett verabredet hatte, flog
Paul alleine los.
Drei Stunden später war er immer noch nicht zurück. Adelheid machte sich
Sorgen. An der Burg war er sicher nicht mehr. Die Trauung musste längst beendet
sein. Sie flog hoch auf den Baum, um eine bessere Sicht zu haben. Da! War das
nicht Paul? Aber was war denn mit ihm los? Er flog im Zickzack und was sang er
nur?
„So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag der dürfte nie
vergehen“, drang an Adelheids Ohr. Da stimmte doch etwas nicht. Paul wollte auf
dem Rasen landen, doch es klappte nicht so recht.
Einem Albatros gleich stoppte er seinen Flug mit seinem Schnabel und
überschlug sich mehrmals.
„Paul!“, rief Adelheid aufgeregt, „was ist bloß los mit dir?“ Als sie
näher kam, roch sie die Bescherung. „Du liebe Güte, Paul, du bist ja
betrunken.“
„Adelheid, Adelheid, schenk mir einen …,“ sang Paul Meise aus voller
Brust.
„Bist du still“, unterbrach ihn Adelheid unsanft. „Sollen denn die
Spatzen hören, was hier los ist und es morgen von den Dächern pfeifen, dass du
ein Schluckspecht bist? Los, hoch mit dir und ab ins Nest“, hörte man Adelheid
schimpfen.
Mit letzter Kraft schaffte es Paul in sein Nest. Dort fiel er in einen
tiefen Schlaf und schnarchte, dass die Wände wackelten.
„Hoffentlich hat es niemand bemerkt“, dachte Adelheid und lag noch lange
wach neben ihrem Paul. Am nächsten Morgen schmerzte Paul der Kopf.
„Das geschieht dir recht“, sagte Adelheid.
„Nicht so laut, Adelheid, nicht so laut. Ich erkläre dir alles. Aber
bitte sei nicht so laut“, flehte Paul.
„Also, das war so: Die Menschen tranken nach der Trauung noch Sekt und
gingen dann ins Haus. Die Sektschalen hatten sie aber draußen stehen gelassen
und da dachte ich mir, ich probiere einmal davon. In jedem Glas war eine kleine
Pfütze übrig geblieben und die hab ich ausgetrunken.“
„Männer“, dachte Adelheid, „kennste einen, kennste alle!“. Und flog
rüber zu den Spatzen. Mal hören, ob sie etwas mitbekommen hatten.
Es war ein lautes Gerede zu hören. Doch als Adelheid näher kam,
verstummten die Stimmen.
„Schönes Wetter heute, nicht wahr, Adelheid?“, meinte Gregor Spatz.
„Und, gibt’s was Neues?“
„Nein, nein“, sagte Adelheid, „ich wollte nur …“, schnell flog sie
davon. „Sollen sie doch schwatzen, die dummen Spatzen“, dichtete sie und flog
zu ihrem Paul zurück. Morgen würden sie sowieso über ein anderes Thema
tratschen. So waren sie halt, die Spatzen.
© Martina
Pfannenschmidt, 2014