Man schrieb
den 23. Dezember. Da war in allen Familien viel los. Auch bei Kathrin und ihren
Eltern ging es hoch her. Mama stand in der Küche und war mit den Vorbereitungen
für das Weihnachtsessen beschäftigt. Papa stellte den Tannenbaum auf und wollte
beim Schmücken nicht gestört werden. Im letzten Jahr hatte Kathrin geholfen,
doch leider war dabei der Baum umgekippt und deshalb war ihre Hilfe in diesem
Jahr nicht sonderlich gefragt. Das war zwar ein bisschen gemein fand sie, doch
Kathrin beschäftigte sich auch so. Sie war in ihrem Zimmer und ihr fiel ein
altes Bilderbuch in die Hände. Es zeigte Tiere und wenn man sie
berührte, gaben sie Laute von sich. Das fand sie als kleines Kind sehr lustig.
Jetzt würde sie es aussortieren und auf den Dachboden bringen zu den anderen
Spielsachen, für die sie inzwischen zu alt geworden war.
Kathrin sah
aus dem Fenster. Es begann tatsächlich zu schneien. Weiße Weihnachten! Wer
wünschte sich das nicht.
Kathrin nahm
ihren alten Teddy aus der Ecke. Er war längst nicht mehr so flauschig wie
zu Beginn als sie ihn geschenkt bekommen hatte. Sie nahm ihn früher jeden Abend
mit ins Bett und erzählte ihm, was sie an dem Tag erlebt hatte. Manchmal musste
Teddy auch ihre Tränen trocknen. Darin war er wirklich gut. Nein, entschied
sie: Er bleibt noch hier.
Morgen war
nun Heiligabend und das war besonders für alle Kinder immer wieder ein freudiges Ereignis.
Mit glänzenden Augen würden sie vor dem geschmückten Baum stehen und sich über
ihre Geschenke freuen. Sie würde sich auch freuen, dachte Kathrin, auch wenn
sie kein ganz kleines Kind mehr war. Ihr kam die Frage in den Sinn, wie es
damals genau zuging bei Jesu Geburt. Spontan entschied sie, zu Oma zu gehen und
mit ihr darüber zu sprechen.
„Omi,
schläfst du?“, erkundigte sich Kathrin zaghaft, als sie sah, dass ihre Oma sich
auf das Sofa gelegt hatte.
„Nein, nein,
mein Kind, komm nur herein ich schlafe nicht. Ich konnte nur nicht mehr sitzen.
Mein Rücken schmerzte und so habe ich mich ein wenig hingelegt.“
„Du Omi, ich
habe gerade darüber nachgedacht, wie das wohl damals war vor über 2.000 Jahren,
als Jesus geboren wurde. In Bethlehem wird es bestimmt nicht geschneit haben,
oder?“
Oma überlegte
kurz. „Ich glaube, das wurde nicht überliefert, Kathrin. Genau so wenig ist das
genaue Geburtsdatum von Jesus bekannt. Das wird in der Bibel auch nicht
erwähnt.“
Kathrin riss
die Augen auf. „Was sagst du da?“
„Dass Jesus
geboren wurde steht außer Frage“, entgegnete Oma schnell, als sie Kathrins Reaktion
vernahm, „doch wie gesagt, man kennt das genaue Datum seiner Geburt nicht. Die
Menschen damals waren noch Heiden. Das bedeutet, sie glaubten nicht an einen Gott, so wie wir heute, sondern
für sie gab es noch viele Götter. Die Menschen feierten am 24. Dezember das Fest
des Sonnengottes. Dieser Feiertag war für das Volk der damaligen Zeit sehr
wichtig. Und so legten die Kirchenväter wohl kurzerhand die Geburt Jesu dort
hin mit der Begründung, dass Jesus ‚Die Sonne der Gerechtigkeit’ und ‚Das Licht
der Welt’ sei.“
Kathrin wurde
misstrauisch. „Und stimmt es vielleicht auch nicht, dass Jesus in einem Stall
geboren wurde?“
„Davon gehe
ich mal aus. In der Bibel wird berichtet, dass kein Zimmer frei war in der
gesamten Stadt und so waren Maria und Joseph froh, eine Unterkunft bei den
Tieren zu bekommen. Einige Historiker gehen davon aus, dass dies Geschehen,
also die Geburt Jesu, Ende September oder Anfang Oktober gewesen sein muss. Zu
dieser Zeit wurden ‚Herbstfeste’ gefeiert und die Zahl der Menschen, die sich
zu diesem Zeitpunkt in Jerusalem und Bethlehem aufhielten, stieg um ein
Vielfaches an. Deshalb war wohl kein Zimmer mehr zu bekommen. Was auch noch für
eine Geburt im Herbst spricht, ist die Erwähnung der Volkszählung. Man glaubt
heute nicht, dass man diese Zählung in den Winter gelegt hätte. Da wären die
Straßen matschig und unpassierbar gewesen.“
„Na, Gott sei
Dank! Ich dachte schon, die Geschichte mit der Krippe im Stall stimmt gar
nicht. Und wie war das mit den Hirten? Weißt du dazu auch etwas, Omi?“
„Ein wenig
weiß ich auch darüber, Kathrin. Dies ist noch ein weiterer Beleg dafür, dass
Jesus nicht im Dezember geboren worden sein kann. Erinnerst du dich an die
Bibelstelle: ‚Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den
Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde?“
Kathrin erinnerte
sich genau.
„Siehst du,
die Hirten brachten damals ihre Herden von April bis Oktober auf die Weiden. In
den kalten und nassen Wintermonaten hingegen blieben die Schafe zu Hause in den
Ställen.“
„Das ist ja
unglaublich“, stellte Kathrin fest. „Und der Stern, was ist mit dem Stern?“
„Ja der
Stern, er gibt den Himmelsforschern bis heute Rätsel auf. Die einen meinen, es
könne sich um einen Kometen gehandelt haben. Andere wiederum sagen, es käme sehr
selten vor, dass sich die Planeten Jupiter und Saturn sehr nahe kommen – oder
sagen wir lieber: Es sieht von der Erde so aus, als ob. Sie bilden dann eine
Linie am Himmel und scheinen für den Beobachter zu einem einzigen hellen
Lichtpunkt zu verschmelzen. Dies geschah wohl im Jahre sechs vor Christi
Geburt. Du siehst also: Die Menschheit ist bis heute nicht in der Lage, genau
zu klären, was damals geschah und auch nicht, wann. Aber die Hauptsache ist
doch, das Jesus geboren wurde.“
„Weihnachten
ist einfach toll“, brachte es Kathrin auf den Punkt. „Nicht nur wegen der
Geschenke, sondern weil wir alle zusammen sind und es immer so urgemütlich ist
und natürlich, weil Jesus geboren wurde.“
„Besser kann
man es nicht ausdrücken“, freute sich Oma. „Und überleg nur einmal, wie viele
Menschen die Geburt – also den Geburtstag – von Christus bis heute feiern. Das
zeigt, wie einzigartig dieser Mensch und sein Leben waren. Bei aller Freude
über die Geschenke sollten wir das nicht vergessen.“
© Martina
Pfannenschmidt, 2015