Donnerstag, 9. November 2017

Wie war das damals, als Jesus geboren wurde

Man schrieb den 23. Dezember. Da war in allen Familien viel los. Auch bei Kathrin und ihren Eltern ging es hoch her. Mama stand in der Küche und war mit den Vorbereitungen für das Weihnachtsessen beschäftigt. Papa stellte den Tannenbaum auf und wollte beim Schmücken nicht gestört werden. Im letzten Jahr hatte Kathrin geholfen, doch leider war dabei der Baum umgekippt und deshalb war ihre Hilfe in diesem Jahr nicht sonderlich gefragt. Das war zwar ein bisschen gemein fand sie, doch Kathrin beschäftigte sich auch so. Sie war in ihrem Zimmer und ihr fiel ein altes Bilderbuch in die Hände. Es zeigte Tiere und wenn man sie berührte, gaben sie Laute von sich. Das fand sie als kleines Kind sehr lustig. Jetzt würde sie es aussortieren und auf den Dachboden bringen zu den anderen Spielsachen, für die sie inzwischen zu alt geworden war.
Kathrin sah aus dem Fenster. Es begann tatsächlich zu schneien. Weiße Weihnachten! Wer wünschte sich das nicht.
Kathrin nahm ihren alten Teddy aus der Ecke. Er war längst nicht mehr so flauschig wie zu Beginn als sie ihn geschenkt bekommen hatte. Sie nahm ihn früher jeden Abend mit ins Bett und erzählte ihm, was sie an dem Tag erlebt hatte. Manchmal musste Teddy auch ihre Tränen trocknen. Darin war er wirklich gut. Nein, entschied sie: Er bleibt noch hier.
Morgen war nun Heiligabend und das war besonders für alle Kinder immer wieder ein freudiges Ereignis. Mit glänzenden Augen würden sie vor dem geschmückten Baum stehen und sich über ihre Geschenke freuen. Sie würde sich auch freuen, dachte Kathrin, auch wenn sie kein ganz kleines Kind mehr war. Ihr kam die Frage in den Sinn, wie es damals genau zuging bei Jesu Geburt. Spontan entschied sie, zu Oma zu gehen und mit ihr darüber zu sprechen.
„Omi, schläfst du?“, erkundigte sich Kathrin zaghaft, als sie sah, dass ihre Oma sich auf das Sofa gelegt hatte.
„Nein, nein, mein Kind, komm nur herein ich schlafe nicht. Ich konnte nur nicht mehr sitzen. Mein Rücken schmerzte und so habe ich mich ein wenig hingelegt.“
„Du Omi, ich habe gerade darüber nachgedacht, wie das wohl damals war vor über 2.000 Jahren, als Jesus geboren wurde. In Bethlehem wird es bestimmt nicht geschneit haben, oder?“
Oma überlegte kurz. „Ich glaube, das wurde nicht überliefert, Kathrin. Genau so wenig ist das genaue Geburtsdatum von Jesus bekannt. Das wird in der Bibel auch nicht erwähnt.“
Kathrin riss die Augen auf. „Was sagst du da?“
„Dass Jesus geboren wurde steht außer Frage“, entgegnete Oma schnell, als sie Kathrins Reaktion vernahm, „doch wie gesagt, man kennt das genaue Datum seiner Geburt nicht. Die Menschen damals waren noch Heiden. Das bedeutet, sie glaubten nicht an einen Gott, so wie wir heute, sondern für sie gab es noch viele Götter. Die Menschen feierten am 24. Dezember das Fest des Sonnengottes. Dieser Feiertag war für das Volk der damaligen Zeit sehr wichtig. Und so legten die Kirchenväter wohl kurzerhand die Geburt Jesu dort hin mit der Begründung, dass Jesus ‚Die Sonne der Gerechtigkeit’ und ‚Das Licht der Welt’ sei.“
Kathrin wurde misstrauisch. „Und stimmt es vielleicht auch nicht, dass Jesus in einem Stall geboren wurde?“
„Davon gehe ich mal aus. In der Bibel wird berichtet, dass kein Zimmer frei war in der gesamten Stadt und so waren Maria und Joseph froh, eine Unterkunft bei den Tieren zu bekommen. Einige Historiker gehen davon aus, dass dies Geschehen, also die Geburt Jesu, Ende September oder Anfang Oktober gewesen sein muss. Zu dieser Zeit wurden ‚Herbstfeste’ gefeiert und die Zahl der Menschen, die sich zu diesem Zeitpunkt in Jerusalem und Bethlehem aufhielten, stieg um ein Vielfaches an. Deshalb war wohl kein Zimmer mehr zu bekommen. Was auch noch für eine Geburt im Herbst spricht, ist die Erwähnung der Volkszählung. Man glaubt heute nicht, dass man diese Zählung in den Winter gelegt hätte. Da wären die Straßen matschig und unpassierbar gewesen.“
„Na, Gott sei Dank! Ich dachte schon, die Geschichte mit der Krippe im Stall stimmt gar nicht. Und wie war das mit den Hirten? Weißt du dazu auch etwas, Omi?“
„Ein wenig weiß ich auch darüber, Kathrin. Dies ist noch ein weiterer Beleg dafür, dass Jesus nicht im Dezember geboren worden sein kann. Erinnerst du dich an die Bibelstelle: ‚Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde?“
Kathrin erinnerte sich genau.
„Siehst du, die Hirten brachten damals ihre Herden von April bis Oktober auf die Weiden. In den kalten und nassen Wintermonaten hingegen blieben die Schafe zu Hause in den Ställen.“
„Das ist ja unglaublich“, stellte Kathrin fest. „Und der Stern, was ist mit dem Stern?“
„Ja der Stern, er gibt den Himmelsforschern bis heute Rätsel auf. Die einen meinen, es könne sich um einen Kometen gehandelt haben. Andere wiederum sagen, es käme sehr selten vor, dass sich die Planeten Jupiter und Saturn sehr nahe kommen – oder sagen wir lieber: Es sieht von der Erde so aus, als ob. Sie bilden dann eine Linie am Himmel und scheinen für den Beobachter zu einem einzigen hellen Lichtpunkt zu verschmelzen. Dies geschah wohl im Jahre sechs vor Christi Geburt. Du siehst also: Die Menschheit ist bis heute nicht in der Lage, genau zu klären, was damals geschah und auch nicht, wann. Aber die Hauptsache ist doch, das Jesus geboren wurde.“
„Weihnachten ist einfach toll“, brachte es Kathrin auf den Punkt. „Nicht nur wegen der Geschenke, sondern weil wir alle zusammen sind und es immer so urgemütlich ist und natürlich, weil Jesus geboren wurde.“
„Besser kann man es nicht ausdrücken“, freute sich Oma. „Und überleg nur einmal, wie viele Menschen die Geburt – also den Geburtstag – von Christus bis heute feiern. Das zeigt, wie einzigartig dieser Mensch und sein Leben waren. Bei aller Freude über die Geschenke sollten wir das nicht vergessen.“


© Martina Pfannenschmidt, 2015