Heute war es sehr windig und Maren spielte lieber in ihrem Zimmer.
‚Ka-wumm!’ Was war das denn für ein Krach da draußen?
Maren wischte ihre kleinen Stofftiere mit einer Handbewegung von der
Fensterbank, zog sich ihren Kinderstuhl heran und schaute aus dem Fenster. Der
Wind hatte die Mülltonne von Nachbar Manfred umgestoßen. Er kam schimpfend aus
seinem Haus gerannt und versuchte, seinen Müll, der durch die Straße flog,
wieder einzusammeln. Das war lustig.
Maren stützte ihren Kopf auf ihre Hände und sah weiterhin aus dem
Fenster. Links waren 5 Häuser zu sehen. Sie kannte alle, die dort wohnten, denn
es waren ja ihre Nachbarn. Wenn sie nach rechts schaute, dann sah sie Felder
und Wiesen und den Wald.
‚Hui, Hui’, machte der Wind. „Ich glaube“, dachte Maren, „der Wind macht
sich einen Spaß mit Manfred.“
Da kam Tobi auf seinem Fahrrad. Er musste mächtig in die Pedalen treten,
um gegen den Wind anzukommen. „Ganz schön stark kann er sein, der Wind“, ging
Maren durch den Kopf.
‚Plopp, plopp’. Zwei Äpfel, die noch hoch oben im Baum gehangen hatten,
fielen herunter und gesellten sich zu den anderen, die schon im Gras lagen.
Maren dachte an das Lied, das sie in den letzten Tagen im Kindergarten
geübt hatten. Wie ging das noch?
Eine kleine Strophe fiel ihr wieder ein: „Hui, Hui, ich bin der Wind!
Hui, Hui! Das himmlische Kind!“
In ihrem Gute-Nacht-Buch gab es eine Geschichte über den Wind. Da sah
man eine weiße Wolke, die ganz tief Luft holte und dann pustete. Ob der Wind
wirklich von den Wolken gemacht wurde? Sie wollte später ihren Vater danach
fragen. Er wusste auf alle ihre Fragen immer eine Antwort. Und Maren hatte
viele Fragen. ‚Hui, Hui’. Der Wind tanzte mit den Blättern. Sie drehten sich
wild im Kreis.
Tante Emma kam aus dem Haus. Sie trug eine dicke Jacke und ein Kopftuch.
Ein Hut wäre ihr auch sicher vom Kopf geweht. Sie hatte einen Korb im Arm und
wollte einkaufen gehen.
Jemand schloss die Wohnungstür auf. Das konnte doch nur Papa sein. War
es denn schon wieder so spät? Maren sprang vom Stuhl, rannte in den Hausflur
und lief ihrem Vater entgegen.
„Hallo, meine kleine Maus“, sagte Papa, „du bist ja stürmischer, als
draußen der Wind.“
„Du Papa, woher kommt eigentlich der Wind?“, fragte Maren.
„Nun lass mich zuerst einmal meine Jacke ausziehen, dann gehen wir in
die Küche und dann erklär ich dir den Wind“, meinte Papa.
Eine Weile später saßen alle drei am Küchentisch: Mama, Papa und Maren.
„Der Wind ist eigentlich nichts anderes als Luft in Bewegung“, sagte
Papa. „Und Luft ist das, was wir einatmen. Im Sommer, wenn sich die Luft nur
sehr wenig bewegt, dann ist der Wind nur sehr schwach zu spüren. Und dann
freuen wir uns über ihn, denn es ist warme Luft, fast so wie aus einem Fön und
wir empfinden den Wind als angenehm. Doch im Herbst wird die Luft stärker
bewegt und dann macht sie uns auch eher kalt. Deshalb sagt Mama im Herbst auch
immer: ‚Maren, zieh dich warm an, draußen ist es windig!’“
Papa stand auf und holte die leere Küchenpapierrolle, die auf dem
Küchenschrank lag.
„Schau“, sagte er, „wir können
auch Wind machen.“ Er legte die Rolle auf den Küchentisch und alle drei
pusteten sie vom Tisch. „Siehst du, Maren, jetzt haben wir drei die Luft in
Bewegung gebracht. Luft kann man nicht sehen, doch Wind kann man spüren. Er hat
ganz viel Kraft.“
„Ja“, sagte Maren, „ich weiß. Er hat vorhin die Mülltonne von Manfred
umgeworfen.“
„Genau“, sagte Papa „und dazu braucht man Kraft. Manchmal kann der Wind
sogar einen Baum umschmeißen. Aber der Wind heute, der schafft das nicht. Dazu
ist er nicht stark genug.“
Am nächsten Tag hatte sich der Sturm gelegt. Nachbar Manfred trieb mit
seinem Laubbläser die Blätter vor sich her, wie es gestern der Wind gemacht
hatte. Papa, Mama und Maren hatten einen Rechen in der Hand. Papa hatte extra für
Maren einen kleinen Kinderrechen gekauft. Die drei trugen die Blätter im Herbst
immer in eine Ecke des Gartens, wo der Wind sie nicht wegwehen konnte. Dort
blieben die Blätter den ganzen Winter über liegen, damit kleine Tiere dort
einen Unterschlupf vor dem kalten Winter fanden. Im letzten Jahr wohnte dort
eine Igelfamilie.
Mama war inzwischen ins Haus gegangen. Sie hatte Kaffee gekocht und
einen Kakao für Maren. Sie rief die beiden zu sich in die Küche. Auf dem Tisch
stand Gebäck und …
„Was ist das denn?“,
fragte Maren.
„Das sind Windbeutel“, sagte Mama.
„Das sind Windbeutel“, sagte Mama.
„Windbeutel?“, fragte Maren weiter. „Wie kommt denn der Wind in die
Beutel?“
© Martina Pfannenschmidt, 2014